Remy Eyssen: Schwarzer Lavendel

Mörderische Provence

Es ist die schlimmste Mordserie im südfranzösischen Département Var in der Région Provence-Alpes-Côte d’Azur: Ein unbekannter Täter entführt junge Frauen und mumifiziert sie fachmännisch. Wer kann so krank sein?

Dabei fängt alles mit einem Vermisstenfall an, wie es sie zuhauf gibt. Während der Weinlese wird eine junge Deutsche von ihrer Zwillingsschwester als vermisst gemeldet. Capitaine Isabelle Morell, stellvertretende Polizeichefin von Le Lavandou, die sich wie die gesamte Gendarmerie nationale bereits im Nachsaison-Modus befindet, vertröstet die junge Frau damit, dass die meisten Vermissten nach kurzer Zeit putzmunter wieder auftauchen. Doch dann wird die mumifizierte Leiche einer seit vier Jahren vermissten jungen Frau gefunden, ausgerechnet als der Médecin légiste, der Gerichtsmediziner am Krankenhaus Saint-Sulpice und Untermieter von Isabelle Morell, der Deutsche Dr. Leon Ritter, sein neues Haus in den Weinbergen in Augenschein nimmt. Ritter ist von diesem Fall sofort gleichermaßen beruflich fasziniert und menschlich abgestoßen und engagiert sich mehr, als es dem Chef der Polizeistation lieb ist. Auf diese Weise findet er eine dritte Frauenleiche, die schon jahrelang im Keller der Universität von Aix-en-Provence aufbewahrt wird. Verdächtige sind schnell ermittelt, aber wer ist tatsächlich der gesuchte Serienmörder?

Obwohl dies nach Tödlicher Lavendel schon der zweite Fall der Reihe um Ritter und Morell ist, fiel mir der Einstieg ohne Vorkenntnisse nicht schwer. Auf 460 Seiten bleibt zum Glück genug Zeit für Rückblenden und ein bisschen Privatleben und die Handlung um Isabelles pubertierende Tochter, die Trauer von Leon um seine vor fünf Jahren bei einem Flugzeugunglück in Thailand ums Leben gekommene Frau, die Geschichte um das alte Haus im Weinberg, das er von seiner Tante überschrieben bekommt, die Boulespieler auf dem Dorfplatz und die Annäherung der beiden Protagonisten ist neben der spannenden Ermittlungsarbeit sehr unterhaltsam zu lesen. Darüberhinaus kommt mit dem nicht in übertriebenem Maße eingebundenen Lokalkolorit trotz der schlimmen Ereignisse so etwas wie Urlaubsstimmung auf.

Französische Regionalkrimis deutscher Autoren gibt es inzwischen in großer Zahl und viele muss man nicht gelesen haben. Bei diesem Provence-Krimi ist es anders, obwohl ich wegen der wirklich sehr einfachen Sprache, die gut den ein oder anderen Nebensatz vertragen würde, zuerst einen Stern abziehen wollte. Nachdem mich der Krimi aber überdurchschnittlich gut unterhalten hat und das Ende gleichermaßen überraschend wie überzeugend war, muss ich einfach trotzdem fünf Sterne vergeben. Und mit einem Glas südfranzösischen Rosé, Oliven, Schafskäse und Chansons von Bécaud, Brel, Trenet oder Montand ist das Ambiente für diesen Krimi perfekt.

Remy Eyssen: Schwarzer Lavendel. Ullstein 2016
www.ullsteinbuchverlage.de

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